Warum ein Lektorat wichtig ist

Dr. Uwe Niemann ist Autor aus Leidenschaft – das merkt man seinen Büchern an: Sie sind voller Fantasie und Gedankenkraft, hervorragend strukturiert und exzellent geschrieben. Trotzdem leistet er sich ein Lektorat seiner Manuskripte. Hier seine Begründung.

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Warum ein Lektorat? Weniger wegen der unvermeidlichen Rechtschreib- und Grammatikfehler. Jeder hat seinen unverwechselbaren Schreibstil, der sich deshalb bei den großen Schriftstellern wunderbar karikieren lässt, der aber, wenn man nicht nur für sich selbst schreibt, auf behutsame Weise den Lesegewohnheiten des Publikums angepasst werden muss.

Ein Lektor ist kein Wunderheiler, der einen schlechten Text zum Glänzen bringt, und er wird vielleicht an einer genialischen, bisher nicht gehörten und deshalb unerhörten neuen Stimme scheitern, aber alles, was dazwischen liegt, kann er zum Leuchten bringen, und jeder Autor tut gut daran, seine mimosenhaften Empfindlichkeiten beim Umgang mit seinem Text zurückzustellen.

Schwieriger wird es, wenn es um Kürzungen geht, wenn also einzelne Passagen, Abschnitte oder gar Kapitel gestrichen werden sollen, weil natürlich bei der Preiskalkulation eines Buches der Umfang eine entscheidende Rolle spielt. Man muss aufpassen, dass nicht das ganze Gefüge der Handlung zusammenbricht. Wir konnten uns glücklicherweise auf drei längere Abschnitte einigen, die einigermaßen unabhängig von den anderen Teilen des Romans waren und deren Streichung zu akzeptieren war. Im Nachhinein muss ich sagen, dass die Kürzung dem Roman gut getan hat, wenngleich es den Autor schmerzt, weil einige hübsche kleine Szenen verschwunden sind. Es ist vielleicht ein Sakrileg, dies zu behaupten, aber mancher Roman der Weltliteratur („Krieg und Frieden“) hätte von einer behutsamen Kürzung durch einen versierten Lektor profitiert.

Eine besonders heikle Situation entsteht, wenn ein Lektor die Umformulierung ganzer Passagen und Handlungsstränge verlangt. Dann steht ein Projekt auf der Kippe. Ich hätte als Autor einen tiefen Eingriff in meinen Text nicht akzeptiert, ganz einfach deshalb, weil ich ihn nicht hätte umschreiben können, denn der kreative Prozess der Niederschrift war abgeschlossen. Zum Glück stand eine Änderung beim Lektorat der „Großen Mutter“ nie zur Debatte, was hoffentlich an der Qualität des Textes liegt und vermutlich nicht an Ihrer Scheu, einem Autor unverblümt die Wahrheit zu sagen.

Ich möchte jedem Autor, der an eine größere Öffentlichkeit denkt, zu einem Lektorat raten. Aber Vorsicht, in dem großen Becken des Literaturbetriebs tummeln sich auch Raubfische. Man sollte in jedem Fall ein Probelektorat vereinbaren und sorgfältig prüfen, worin denn die professionelle Leistung bestanden hat und ob sie dem Text angemessen ist. Bei Ihnen, liebe Frau Blaes, bestanden von Anfang an keine Zweifel.

Sie weisen auf meinen Fantasiereichtum hin. Das ist nun eine Gabe und keine Eigenschaft, die man erwerben kann. Kreativworkshops sind zwecklos. Wenn ich schreibe, sind der Roman oder die Erzählung in meinem Kopf längst fertig, und die Niederschrift ist nur der letzte, handwerkliche Schritt zum fertigen Buch. Ich möchte es kinematografisches Schreiben nennen, denn eine Filmsequenz, die vor dem geistigen Auge abläuft, wird in einen Text verwandelt, vergleichbar einem Regisseur, der umgekehrt Texte in innere Bilder umsetzen und sie später auf die Leinwand bannen muss. Wegen seiner unglaublichen Fantasie halte ich übrigens Karl May für einen der besten deutschen Schriftsteller, dem ich in der Jugend wunderbare Leseerlebnisse verdanke.

Viele Grüße nach Schondorf

Ihr Uwe Niemann

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