Über Lektoren und die Qualität ihrer Arbeit

Über Lektoren und die Qualität ihrer Arbeit habe ich bereits einen Blogartikel geschrieben. Aufgrund einer aktuellen Erfahrung greife ich das Thema noch mal auf. Obwohl Kollegenschelte nicht mein Ding ist, kann – und muss – ich leider sagen: Ich hatte noch kein einziges sorgfältig lektoriertes Manuskript auf meinem Bildschirm. Im Gegenteil: Meine Kollegen – zumindest die, mit deren Arbeit ich zu tun hatte – arbeiten unglaublich schlampig!

Beispiel: Lektorat Nr. 1

Hier handelt es sich um ein Manuskript von 177 Normseiten. Bearbeitet von einer Lektorin. Sie hat die Autorin darauf aufmerksam gemacht, dass das von ihr bearbeitete Manuskript danach noch korrigiert werden sollte.
Nun, jedes lektoriertes Manuskript sollte grundsätzlich noch Korrektur gelesen werden. Das bedeutet aber nicht, dass ein Lektor über das Manuskript hinweg schludert, hier und da ein paar Korrekturen/Verbesserungen vornimmt und ansonsten die Verantwortung dem Korrektor überlässt.
Bei diesem Manuskript ist eindeutig, dass die Lektorin nicht engagiert gearbeitet hat. Denn ich habe auf den 177 Seiten knapp 900 Korrekturen vorgenommen. 803 im Worddokument direkt und viele weitere Korrekturen beim und nach dem Buchsatz.
Alles in allem habe ich rund 5 Fehler auf jeder Normseite korrigiert – bei einem lektorierten Manuskript!

word korrekturen

Auch ich übersehe Fehler bei meiner Lektoratsarbeit. Das liegt leider in der Natur der Sache. Aber auf jeder Seite 5 Fehler zu übersehen, ist wirklich harter Tobak. Und die Art der übersehenen Fehler ist auch interessant. Denn es gibt Fehler, die sehr leicht zu überlesen sind, und es gibt Fehler, die ein sorgfältig arbeitender Lektor nicht so schnell überliest. Ich weiß also aufgrund der Art übersehener Fehler, ob ein Lektor gut oder oberflächlich gearbeitet hat. Denn mit Fehlern kenne ich mich bestens aus … aufgrund meiner eigenen Arbeit und der von mir selbst übersehenen Fehler.

Beispiel: Lektorat Nr. 2

Ähnliches gilt für ein anderes Manuskript. Es wurde dreimal Korrektur gelesen – von drei Leuten. Und die Autorin hat jedes Mal Honorar bezahlt. Trotzdem habe ich über 1300 Fehler entdeckt – auf gerade mal 200 Seiten. Unglaublich!

korrekturen schmitz

Beispiel: Lektorat Nr. 3

Das Gleiche gilt für ein weiteres Manuskript. Die Fehlerzahl kann ich nicht benennen, weil ich das Manuskript nicht mit WORD überarbeitet habe (WORD zeigt Fehler und Fehlermenge an), sondern nur einen Teil der Fehler während der Arbeit beim Buchsatz notiert habe. Ursprünglich war nicht geplant, dass ich Korrektur lese, aber während des Buchsatzes ist mir die überirdische Menge an Fehlern aufgefallen, und ich habe der Autorin dringend ans Herz gelegt, das Manuskript korrigieren zu lassen.

Alles in allem waren es so viele Fehler, dass ich der Autorin empfohlen habe, die Lektorin darauf anzusprechen. Die hat dann 20 % Mängelrabatt eingeräumt …

Beispiel: Lektorat Nr. 4

Dieses Manuskript war ebenfalls nur für den Buchsatz vorgesehen, aber auch hier fiel mir die Fehlermenge auf, und auch hier habe ich dem Autor einen Korrekturdurchgang meinerseits empfohlen. Ich bekam den Auftrag und fand über 3.000 Fehler – auf 362 Normseiten. Also fast 10 Fehler auf jeder Seite. Nach einem Lektorat ein Unding!

korrekturen p 1

Beispiel: Lektorat Nr. 5

Ähnliches gilt für dieses Manuskript. Auf 500 Seiten habe ich 3.649 Fehler korrigiert. Dabei waren nicht nur „Fehlerchen“, sondern dicke, fette Fehler: Grammatik, Interpunktion, Rechtschreibung, doppelte und/oder falsche Formulierungen … alles, was ein schlampig bearbeitetes Manuskript an Fehlern so hergeben kann. Dass der Autor selbst dabei sehr nachlässig gearbeitet hat, steht auf einem anderen Blatt. Und ich werde in Zukunft solche Manuskripte nicht mehr bearbeiten. Denn es ist nicht meine Aufgabe, faulen Lektoren/Autoren die Arbeit abzunehmen.

Aber was der Herr Kollege, ebenfalls ein professioneller Lektor, in diesem Fall („Fall“ ist der richtige Begriff für so eine hundsmiserable, fast schon justiziable Leistung) abgeliefert hat, ist definitiv unter aller Kanone. Denn als Honorar hat er über 9.000 Euro berechnet – und erhalten!

fehlermenge

Das waren nur fünf Beispiele von vielen. Deshalb mein Fazit: Viele Lektoren arbeiten schlampig. Zumindest uneingeschränkt alle, deren Arbeiten ich bislang auf dem Bildschirm hatte. Und ich frage mich: Wo ist die Arbeitsethik abgeblieben? Wo hat sich der Anspruch an sich selbst versteckt?


In diesem Zusammenhang verweise ich gern wieder auf den Spruch von Henry Ford: »Quality means doing it right when no one is looking.«

Von diesen weisen Worten haben die Lektoren, deren Arbeit ich kennengelernt habe, offensichtlich noch nichts gehört. Abgesehen davon, dass so ein – völlig normaler – Qualitätsanspruch auf dem eigenen Mist wachsen sollte. Mir z. B. hat den niemand beigebracht, auf den bin ich von ganz allein gekommen – damals, als ich mich als Freiberuflerin selbstständig gemacht habe.

PS: Was in diesem Zusammenhang erstaunlich ist: Mache ich einen Autor auf die schlechte Qualität des Lektorats aufmerksam, ist er meist sauer. Aber: Er ist nicht etwa sauer auf den Lektor, nein, er ist sauer auf mich!

So eine Reaktion erinnert mich an die mittelalterliche Methode, Überbringer von schlechten Nachrichten zu bestrafen bzw. zu töten. Gut, dass Letzteres nicht mehr praktiziert wird, sonst weilte ich schon längst nicht mehr unter den Lebenden.

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