Ein Gedichteband, der einen Preis verdient: Seelenlast

Seelenlast, ein Gedichteband der speziellen Art

Anfang Februar wurde ich durch einen Newsletter des »Literaturcafé« auf einen Shitstorm (auf Deutsch: Sturm der Entrüstung) bei Facebook aufmerksam. Es ging um die Verleihung des »Peter Huchel Preis«.

Diese Auszeichnung bekam in diesem Jahr Judith Zander. Geehrt wurde ihr Gedichtband »im ländchen sommer im winter zur see«.

Die Mitglieder der SWR-Kultur-Gruppe bei Facebook fühlten sich angesichts der Lyrik von Frau Zander an Loriots »Krawehl« und Kerkelings »Hurz« erinnert. Meiner Meinung nach nicht zu unrecht …

Auch im Literaturcafé gingen die Meinungen über das Gedicht auseinander. Das liegt in der Natur jeder Sache: Der eine mag sie, der andere nicht. Dass Menschen, die das Gedicht nicht mögen, als „Pöbel“ bezeichnet werden (Leisz Shernhart in der taz), steht auf einem völlig anderen Blatt, das getrost als überheblich bezeichnet werden kann.

Kurz und gut: Auch ich kann mit den wahllos erscheinenden Wortaneinanderreihungen von Judith Zander nichts anfangen. Sie kommen mir vor, wie von einem erschöpften KI-Programm erschaffen. Zum Beispiel das Gedicht »grundlegende«. Dass Frau Zander bei ihrer Lyrik außerdem auf Großschreibung und Interpunktion verzichtet, kann man mögen, muss man aber nicht.

Wie auch immer: Frau Zander hat den Peter-Huchel-Preis bekommen. Ich gönne ihr diese Ehrung. Über Besitzneid, den die Autorin Kritikern ihrer Gedichte unterstellt, sollte man an anderer Stelle reden – wenn überhaupt.

Zurück zum Ausgangsthema:

Vor einigen Monaten nahm Lisa Marie Tietz Kontakt zu mir auf. Sie wollte ein Buchprojekt der besonderen Art verwirklichen und bat mich um Unterstützung.

buchveroeffentlichung

Ich fand ihr Projekt bemerkenswert. Unter literarischen und künstlerischen Aspekten gleichermaßen.

Obwohl ich nicht auf Lyrik stehe, berührten mich Lisas Worte ganz tief im Innern. Ich spürte einen Schmerz. Leise und dezent. Eine Art von Schmerz, die vermutlich jeder von uns kennt – jeder auf seine ganz individuelle Weise. Er tut nur weh, wenn man ihn wahrnehmen möchte. Trotzdem ist er präsent … behutsam zwar, aber beharrlich. Mit der Zeit gewöhnt man sich an ihn. Er ist Wegbegleiter. In allen Situationen gegenwärtig. Selbst im Schlaf und in den Träumen. Man wird ihn nicht los, kann letzten Endes gar nicht mehr auf ihn verzichten. Man braucht ihn, ist süchtig nach ihm. »Folie à deux« könnte man diese Lebensgemeinschaft auch nennen.

Liebe Lisa, du solltest dein außergewöhnliches Werk nach Staufen schicken. An die Macher des Peter Huchel-Preis.

Um den Preis als solchen geht es in meinen Augen dabei gar nicht. Es geht darum, dass deine großartigen Arbeiten Beachtung verdient haben. Und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. Denn im Gegensatz zu Judith Zander hast du etwas mitzuteilen: Du öffnest deine verletzte Seele und bittest um Gehör. Das trauen sich wenige Menschen.

Frau Zander traut es sich nicht. Ihre Wörter tröpfeln dahin. Du haust die Wörter raus wie Gewehrkugeln.

mutterliebe

Deshalb ist »Seelenlast« ein Poesiealbum der ganz speziellen Art und hätte definitiv einen Preis verdient. Auf alle Fälle aber aufmerksame Leser.

2 Kommentare

  1. Liebe Renate,

    du hast Worte für mich und mein Buch gefunden, die mein Herz höher schlagen lassen … ich bin tief berührt und dankbar für diese ausgesprochen spürbare Anerkennung.
    Ich mag zwar für den Inhalt des Buches verantwortlich sein, liebe Renate, doch durch unsere Bekanntschaft habe ich unheimlich viel gelernt, und ohne dich wäre dieses Buch niemals so schön geworden wie es heute ist. Dafür bin ich dir ebenso dankbar wie für deine zauberhaften Zeilen zu meinem Werk … auf ewig! ♥

    Herzlich,
    deine Lisa

  2. Dass du dich freust, freut mich, liebe Lisa!
    Ich wünsche dir viel Erfolg mit diesem und weiteren Werken!
    Herzlich – Renate

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