„Feinde“ – ein misslungenes TV-Drama

schneebaeume

Dass eine Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt wird, ist nicht unbedingt neu, kann aber je nach den Fähigkeiten des Autors zu einem interessanten Ergebnis führen, denn zwei Menschen nehmen ein und denselben Vorgang oft völlig unterschiedlich war.

„Feinde“, das vom kettenrauchenden Erfolgsautor von Schirach verfasste und von der ARD als TV-Drama angekündigte Fernsehereignis am gestrigen Abend versprach also spannend zu werden: ein Verbrechen – im ersten Film geschildert vom Kommissar, gespielt von Bjarne Mädel, im nachfolgenden Film vom Anwalt des Angeklagten, gespielt von Klaus Maria Brandauer. Ich machte es mir auf dem Sofa gemütlich und harrte der vielversprochenen Spannung, die da kommen sollte. Leider kam sie nicht.

Film Nr. 1
Filmbeginn: Reiche, aber heile Familie beim Frühstück. 12jährige Tochter macht sich danach auf den Weg zur Schule. Sie macht das zu Fuß, obwohl Wachpersonal zur Verfügung steht. Also stapft das Mädchen am dunklen Morgen durch den Schnee, wird prompt gekidnappt und in einen kleinen Raum in einem menschenleeren Gebäude gesperrt. Vom Verführer sieht man nur eine schwarze Maske und eine ebenfalls schwarze Kapuze.

Der Kommissar, ein helles Kerlchen, ist SEHR bald überzeugt davon, dass nur einer der Wachmänner für die Tat infrage kommen kann. Von seiner erstaunten Kollegin nach dem Grund für seine Gewissheit gefragt, antwortet er lediglich: „Intuition“. Alles andere wäre auch unsinnig, denn der Zuschauer erfährt von den Ermittlungen so gut wie nichts und wundert sich ebenso wie die Kollegin des Kommissars über dessen intuitive Eingebung, für die es keine erkennbaren Gründe gibt.

Der mutmaßliche Täter ist also gefasst, zum Ärger des Kommissars ist er aber ein wortkarger Zeitgenosse, der wenig bis nichts redet, geschweige denn zu einem Geständnis bereit ist. Also kommt der erfahrene Kommissar auf die Idee, dem Täter, der bis dato lediglich ein Verdächtiger ist, das Geständnis mit Gewalt zu entlocken. Er bittet an höherer Vorgesetztenstelle um Erlaubnis für die Folter, bekommt sie nicht, führt sie aber trotzdem durch – mittels Wasser und Wasserschlauch.

Und wie durch ein Wunder geht sein Plan auf: Der Verdächtige wird zum Täter, denn er gesteht. Prompt!

Das freut den Kommissar, und er ruft umgeht die Rettungskräfte, die sofort zum Tatort eilen, aber leider zu spät kommen, denn das Opfer ist bereits tot. Verstorben an einer Kohlenmonoxyd-Vergiftung, was man allerdings erst im zweiten Film erfährt, der kriminaltechnisch erprobte Zuschauer allerdings aufgrund einer Unheil verheißenden Kameraführung am Anfang des Films bereits ahnt.

Bei der Gerichtsverhandlung wird der Kommissar unter Druck gesetzt; nicht von der Richterin oder Staatsanwältin, sondern vom Anwalt des Täters, der übrigens wieder zum Verdächtigen mutiert ist, weil er sein Geständnis zurückgenommen hat.

Der gewiefte Strafverteidiger nimmt den Kommissar also in die Mangel, und dem bleibt zum Schluss nichts anderes übrig, als zerknirscht zuzugeben, den Verdächtigen mittels „watwer boarding“ gefoltert zu haben. Konsequenz: Das ursprüngliche Geständnis ist unter solchen Umständen ungültig. Nachhaltige Beweise für die Schuld des Verdächtigen gibt es auch nicht, konsequenterweise wird der Angeklagte freigesprochen.

Das war in kurzen Worten die Handlung des Films, dessen Handlungsverlauf öfter die Plausibilität vermissen ließ und zudem keine relevanten Erkenntnise für den Zuschauer brachte. Aber sei’s drum …

Film Nr. 2
Ich wartete also auf den zweiten Film, der nun die Handlung aus der Sicht des Anwalts zeigen sollte. Ich war gespannt, ob es denn nun endlich spannend werden würde bzw. neue und und vor allem relevante Hintergrundinformationen zutage treten würden. Taten sie nicht.

Der zweite Film begann nahezu identisch wie der erste. Auch der weitere Verlauf ähnelte dem ersten wie eine Blaupause. Der Zuschauer lernte lediglich die Ehegattin des Anwalts kennen, eine nette Person, die zufällig mit der Familie des Opfers befreundet ist. Erkenntniswert für den Zuschauer: Null.

Den Arzt des Anwalts lernten wir dann auch noch kennen. Er rät seinem kettenrauchenden Patienten (Alter Ego des Autors?), mit dem Rauchen aufzuhören und mit dem Fahrrad statt mit dem Auto ins Büro zu fahren. Beide Vorschläge stießen (natürlich) auf taube Ohren. Erkenntniswert für den Zuschauer: Null.

Im weiteren Verlauf wurde alles, was wir aus dem ersten Film schon kannten, mit (teilweise) minimal veränderten Kamerapositionen wiedergekäut, die meisten Dialoge im Gericht 1:1 erneut gezeigt. Von der angekündigten „interessanten Perspektive des Strafverteidigers“ war definitiv nichts zu erkennen. Die ohnehin recht geringen Erkenntnisse des Zuschauers aus dem ersten Film konnten im zweiten Film nicht vertieft werden. Den hätte es demzufolge nicht gebraucht.

Fazit:
Langweile pur! Neue Rechtserkenntnisse: Null!

Wäre der Film ein Buch und ich müsste es lektorieren, würde ich zum Autor sagen: „Intensive Überarbeitung notwendig! Am besten nochmal von vorn anfangen – und dabei die Psyche der Protagonisten besser ausarbeiten. Denn der Plot als solcher ist interessant (allerdings nicht neu), aber viel zu oberflächlich bearbeitet.“


PS: Im zweiten Film gab der Verdächtige beim Gespräch mit seinem Antwalt auf dessen Frage, warum er denn so schnell gestanden habe, zur Antwort: „Ich wollte Schlimmeres verhindern“. (Sinngemäß widergegeben.) In jenem Moment hatte ich gehofft, dass doch noch etwas Erhellendes ans Tageslicht kommt. Eine Beteiligung eines Familienmitglieds vielleicht oder dass sogar die Tochter sich entführen lassen wollte. Aber: wieder falsch gehofft!

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