Giovanni di Lorenzo und Helmut Dietl
Ab und zu durchforste ich ältere Blogartikel. Manche davon finde ich so interessant, dass ich sie aus der Versenkung hole und auf die Startseite setze. So auch diesen Artikel, geschrieben im September 2019.
Über den Unterschied zwischen den Begriffen Wahrheit und Wirklichkeit wird viel diskutiert. »Wahrheit ist relativ«, sagen viele.
In dem Buch »Vom Aufstieg und anderen Niederlagen« von Giovanni di Lorenzo habe ich im Interview mit Helmut Dietl einen interessanten Satz zu seinem Film »Zettl« gelesen:
»Es handelt sich nicht um die Wirklichkeit, sondern um die Wahrheit.«
Den Unterschied zu definieren, ist nicht so einfach, und ohne Bezug zu einer Sachlage/Thematik erst recht nicht. Im Grunde handelt es sich bei der Begriffsdifferenzierung um eine höchst philosophische Frage. Ich bin keine Philosophin, und außerdem gibt es im Internet schon sehr interessante Artikel und Diskussionen zu diesem Thema:
Helpster
Gute Frage
Walter Benjamin
EsForum
Denkforum
Im Denkforum zum Beispiel wird gesagt, dass Wirklichkeit unterschiedlich wahrgenommen wird. Subjektiv also. In diesem Forum gibt es noch andere interessante Deutungen.
Irren ist nützlich
Im Zusammenhang mit Letzterem empfehle ich übrigens das hochinteressante und spannende Buch »Irren ist nützlich«. Dort wird anschaulich beschrieben und auch erklärt, warum wir uns so oft irren – obwohl wir der festen Überzeugung sind, die Wahrheit gepachtet zu haben.
Mein persönliches Fazit ist: Fiktion kann durchaus Wahrheit enthalten. Zum Beispiel dann, wenn man eine Geschichte erzählt, in der Personen, Orte und Handlungen erfunden sind, die Prämisse aber einer realen Situation entspricht.
Kommentar von André Elgeti bei Facebook:
Im Sinne von Descartes „Ich denke,also bin ich“ ist die Wirklichkeit das, was ich mit meinen Sinnesorganen aufnehme. Also kann auch das, was ich mit den Augen sehe für mich die Wirklichkeit sein. Sie kann aber auch nur gestellt sein- so dass ich mir diese Wirklichkeit nur einbilde. Nehmen wir mal den Fallversuch einer massiven Kegel und einer Feder. Die Wirklichkeit sagt mir, dass beide unterschiedliche Fallgeschwindigkeiten haben. Ab durch einen Versuch( hier Evakuierung) erkenne ich die Wahrheit- dass es nur eine Fallgeschwindigkeit gibt. Ich kann sie berechnen, aber ist das die gesamte Wahrheit? Nein. Ich kann die gesamte Wahrheit theoretisch nicht erkennen, weil meine Wahrheit immer eine mehr oder weniger unvollkommene Abbildung der „objektiven Realität“ ist.
Kommentar von Melanie Holzner bei Facebook:
Das ist interessant, denn so habe ich das Thema noch gar nicht betrachtet. Mein Lieblingsspruch stammt aus einem Film (den ich partout nicht mehr weiß!): Auch wenn die Wahrheit nicht ausgesprochen wird, so existiert sie doch! Wenn ich das jetzt aber so lese, was du schreibst, dann müsste ich diesen Spruch evtl. mit dem Wort „Wirklichkeit“ ersetzen. Denn für mich war das immer an einem Beispiel gut erklärt: ein Mann geht fremd und verheimlicht dies seiner Ehefrau. Er spricht es nicht aus, beichtet es nicht. Aber die Tatsache, dass es so ist (war) existiert. Also ist es Realität = Wirklichkeit. Eine Wahrheit denke ich kann für viele Menschen unterschiedlich sein. Ob ich etwas als wahr empfinde, oder nicht, kommt vielleicht auf meine Sichtweise, meine Prägungen, meine Denkmuster an. Ich denke nicht, dass es eine allgemeine oder allumfassende Wahrheit gibt. Jedoch eine allumfassende Wirklichkeit = Realität gibt es.
Kommentar von Olivier Declear bei Facebook:
Aus meinem Blickwinkel ist die Wirklichkeit ein nicht erfassbares Objekt realer Existenz. Um sie zu erfassen, bedingte es der Entfernung jedweder Subjektivität. Erst die unbegrenzte Objektivität ließe die Betrachtung der Metawirklichkeit zu. Aber ähnlich wie in den Beobachtungen innerhalb der Unschärfetheorie, des Prof. Heisenberg entstände das gleiche Paradoxum. Die Beobachtung kann nur durch ein Objekt erfolgen, womit die Subjektivität der Betrachtung die zwingende Objektivität verliert.
Aus meiner Sicht existiert eine Metawirklichkeit, jedoch kann es in der menschlichen Betrachtung nur bei dem Teil der subjektiven Wahrnehmung bleiben.
Kommentar von Odiug Wgan bei Facebook:
Naja, Wahrheit ist erst ein Mal ein sprachliches „label“, womit ein Sprecher seiner Aussage einen besonderen Status zuweist. Im Sinne von: „hört zu, das ist wichtig“. Eine Fiktion hat als Text dann auch eine Wirklichkeit, den Text ‚gibt‘ es ja tatsächlich. Wenn, die im Text erzählten Kommentar von Odiug Wgan bei Facebook.´:
Sinnbezüge stimmig auf allgemein menschliche Eigenschaften/Erfahrungen abzielen, dann können sie auch einen wahren Wirklichkeitsbezug in diesem Sinne haben.
Für Aristoteles ist die Fiktion nicht das Gegenteil von Wahrheit, sondern die Bedingung von sinnvoller Wahrheit. Versteht man Wirklichkeit als eine, quasi zufällige, Ansammlung von Fakten, dann wird klar, dass man für das Generieren bedeutungsvoller Sinnzusammenhänge die Logik der Fiktion benötigt.
Darüber kann man natürlich noch weitaus mehr sagen/schreiben! 🙂
Kommentar von Roxan Hill bei Facebook:
Macht ein fallender Baum im Wald auch dann ein Geräusch, wenn niemand da ist, der es hören könnte? Spannende Frage. Ebenso wie die Frage aus der Quantenphysik: Existiert der Mond auch dann, wenn keiner hinsieht?
Also,die Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners,sagt Heinrich von Förster.
Jeder hat eine eigene Wahrheit,doch die Wirklichkeit ist für alle gleich.