Erzählperspektiven oder Erzählformen beziehen sich auf die Position oder den Standpunkt, von dem aus eine Geschichte erzählt wird. Die Perspektive beeinflusst, wie Informationen präsentiert werden, wer Zugang zu welchen Informationen hat und wie der Leser die Handlung wahrnimmt. Es gibt verschiedene Arten von Erzählperspektiven.
Auktoriale Erzählperspektive
Die auktoriale Erzählperspektive, auch als allwissende Perspektive bekannt, zeichnet sich durch einen neutralen, allwissenden Erzähler aus, der über ein umfassendes Wissen der Figuren, Handlung und Hintergründe verfügt. Er steht außerhalb der Handlung und legt die Gedanken und Emotionen aller Charaktere offen. Durch diesen Überblick kann der auktoriale Erzähler auch in die Zukunft blicken oder frühere Ereignisse einbetten. Diese Perspektive bietet dem Autor eine umfassende Kontrolle über die Erzählung und ermöglicht komplexe, vielschichtige Darstellungen.
In der auktorialen Perspektive ist der Erzähler eine Art unsichtbarer Beobachter, der sowohl die äußeren Handlungen als auch die inneren Beweggründe der Charaktere kennt. Diese umfassende Sichtweise erlaubt es, die Leser mit Hintergrundinformationen zu versorgen und Zusammenhänge zu verdeutlichen. Der Erzähler kann dabei zwischen verschiedenen Charakteren und Handlungsebenen wechseln, was eine breite, umfangreiche Darstellung ermöglicht.
Die allwissende Perspektive bietet dem Autor die Freiheit, die Erzählung nach Belieben zu lenken, Informationen zu geben oder zurückzuhalten und die Leser gezielt zu lenken. Dies schafft eine gewisse Distanz zwischen dem Erzähler und den Figuren, weil der Fokus auf der Gesamthandlung liegt, anstatt sich ausschließlich auf die Perspektive einzelner Charaktere zu konzentrieren.
Die auktoriale Erzählperspektive wurde besonders in klassischen Romanen des 19. Jahrhunderts häufig verwendet, zum Beispiel in Werken von Leo Tolstoi oder Charles Dickens. Trotzdem findet sie auch in modernen Romanen Anwendung, wenn ein umfassendes Verständnis der Handlung und Charaktere erforderlich ist. Die Herausforderung liegt darin, sicherzustellen, dass die Erzählung nicht zu distanziert wirkt und die Leser eine emotionale Verbindung zu den Charakteren aufbauen können.
Personale Erzählperspektive
Bei der personalen Erzählperspektive, auch als Innensicht oder Ich-Perspektive bezeichnet, erlebt der Leser die Geschichte direkt aus der Sicht eines bestimmten Charakters. Der Erzähler spricht dabei in der ersten Person (ich) und begrenzt die Informationen auf das, was dieser Charakter weiß oder erlebt. Diese Perspektive bietet eine unmittelbare und oft sehr persönliche Verbindung zwischen dem Leser und dem Erzähler, da sie die Gefühle, Gedanken und Erfahrungen des Charakters offenbart.
In der personalen Erzählperspektive bleibt der Erzähler auf die Perspektive des gewählten Charakters beschränkt. Dadurch können die Leser die Handlung nur durch die Linse der jeweiligen Figur wahrnehmen. Das ermöglicht eine intensive Erfahrung der Innenwelt des Charakters, da die Leser direkt an dessen Emotionen und Gedanken teilhaben.
Der Einsatz der personalen Perspektive schafft eine enge Bindung zwischen Leser und Hauptcharakter. Der Leser kann sich leichter in die Lage des Charakters versetzen und erlebt die Handlung auf eine persönliche und subjektive Weise. Dies fördert die Identifikation und empathische Teilnahme an den Ereignissen.
Diese Perspektive bringt allerdings auch Herausforderungen mit sich. Informationen über andere Charaktere oder Ereignisse werden durch die eingeschränkte Sicht des Erzählers gefiltert, was zu Einschränkungen bei der Darstellung der Gesamthandlung führen kann. Der Erzähler kann zum Beispiel falsche Schlussfolgerungen ziehen oder relevante Informationen übersehen, weil er die Welt nur aus einer Sicht sieht: seiner eigenen.
Die personale Erzählperspektive wird in vielen zeitgenössischen Romanen eingesetzt, um eine persönliche und immersive Erzählweise zu schaffen. Autoren nutzen sie, um die Authentizität ihrer Charaktere zu betonen und eine starke emotionale Bindung zwischen Leser und Erzähler zu schaffen.
Die neutrale Erzählperspektive
Die neutrale Erzählperspektive ist gekennzeichnet durch einen distanzierten, objektiven Erzähler, der die Handlung sachlich beschreibt, ohne sich wertend oder emotional einzumischen. Anders als in der personalen Perspektive, bei der der Erzähler die Geschichte aus der Sicht eines Charakters erlebt, steht der neutrale Erzähler außerhalb der Handlung, er bleibt emotionslos und unparteiisch. Diese Perspektive fokussiert sich auf die äußeren Geschehnisse und bietet eine objektive Beschreibung der Ereignisse und Charaktere.
Der neutrale Erzähler verfügt über allwissende Eigenschaften und kennt die Gedanken und Emotionen aller Charaktere. Dennoch bleibt er zurückhaltend und äußert keine persönlichen Wertungen oder Meinungen. Dadurch kann der Leser seine eigenen Schlüsse ziehen und die Geschichte persönliche Weise interpretieren.
Die neutrale Erzählperspektive bietet eine breite, umfassende Sicht auf die Handlung. Sie erlaubt dem Autor, verschiedene Charaktere und Schauplätze zu beleuchten, ohne auf die begrenzte Wahrnehmung eines Einzelnen beschränkt zu sein. Diese Perspektive eignet sich besonders für komplexe Geschichten mit vielen Figuren oder umfangreichen Handlungssträngen.
Durch die distanzierte Natur des neutralen Erzählers wird eine gewisse Objektivität gewahrt. Informationen werden sachlich und ohne emotionale Färbung präsentiert. Dies trägt dazu bei, eine Erzählstimme zu schaffen, die eine klare, unverzerrte Darstellung der Ereignisse liefert.
Die neutrale Erzählperspektive wurde oft in klassischen Romanen des 19. Jahrhunderts verwendet, ist aber auch in modernen literarischen Werken zu finden. Autoren wählen diese Perspektive, um eine klare, objektive Darstellung der Handlung zu bieten und der Leser kann dadurch seine eigenen Schlüsse ziehen. Es ist wichtig, dass die Neutralität des Erzählers nicht zu Distanz führt und die Leser dennoch eine Verbindung zu den Charakteren und der Geschichte aufbauen können.
Die Ich-Erzählperspektive
Die Ich-Erzählperspektive ist eine Erzählform, bei der die Geschichte aus der direkten Sichtweise einer beteiligten Figur, des sogenannten „Ich-Erzählers“, präsentiert wird. Dieser Erzähler ist aktiv in die Handlung involviert und spricht in der ersten Person (ich). Die Ich-Erzählperspektive ermöglicht eine unmittelbare, subjektive Erfahrung der Geschehnisse, da die Leser die Welt durch die Augen und Gedanken des Erzählers erleben.
Ein charakteristisches Merkmal der Ich-Erzählperspektive ist die persönliche Beteiligung des Erzählers an der Handlung. Der Leser erhält direkte Einblicke in die Emotionen, Gedanken und Erfahrungen des Ich-Erzählers. Dies schafft eine unmittelbare Verbindung zwischen Leser und Erzähler, da die Geschichte durch die subjektive Linse einer bestimmten Figur gefiltert wird.
Ein Vorteil der Ich-Erzählperspektive ist die Intimität, die sie schafft. Der Leser hat das Gefühl, direkt mit der erzählenden Figur zu interagieren und ihre Innenwelt zu verstehen. Dadurch kann eine tiefe emotionale Bindung zwischen Leser und Charakter entstehen.
Die Ich-Erzählperspektive bietet auch Raum für eine individuelle Stimme und Persönlichkeit des Erzählers. Der Ton, der Sprachstil und die Perspektive können stark von der Charakterisierung des Ich-Erzählers beeinflusst werden, was zu einer lebendigen und einzigartigen Erzählung führt.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Ich-Erzählperspektive ihre eigenen Herausforderungen mit sich bringt. Der Erzähler kann nur das berichten, was er selbst sieht oder erlebt, und hat keine umfassende Kenntnis der Gedanken und Gefühle anderer Figuren. Dies kann zu begrenzter Objektivität und möglicher Verzerrung der Geschehnisse führen.
In der Literatur findet die Ich-Erzählperspektive in vielen Genres Anwendung, von autobiografischen Werken bis zu fiktiven Romanen. Autoren wählen diese Perspektive, um eine starke individuelle Stimme zu schaffen, eine besondere Perspektive zu betonen oder eine persönliche Geschichte zu erzählen, bei der die Subjektivität des Erzählers von Bedeutung ist.
Hinweis: Die Begriffe personale Erzählperspektive und Ich-Erzählperspektive werden manchmal synonym verwendet, haben aber Unterschiede in Bezug auf die Erzählstruktur und den Standpunkt des Erzählers. Hier die Hauptunterschiede:
Personale Erzählperspektive:
- Bei der personalen Erzählperspektive handelt es sich um eine Perspektive, bei der der Erzähler sich in die Handlung einbringt, aber nicht notwendigerweise als eine der beteiligten Figuren agiert.
- Der Erzähler ist in der dritten Person und verwendet Pronomen wie „er“ oder „sie“, um die Charaktere zu beschreiben.
- Der Erzähler bleibt zwar außenstehend, aber er hat Zugang zu den Gedanken und Gefühlen eines bestimmten Charakters. Die Informationen über andere Charaktere oder Ereignisse sind jedoch begrenzt.
Ich-Erzählperspektive:
- Die Ich-Erzählperspektive ist eine Untergruppe der personalen Perspektive, bei der der Erzähler direkt an der Handlung beteiligt ist und als eine der Figuren fungiert.
- Der Erzähler spricht in der ersten Person (ich) und gibt somit persönliche Einblicke in seine Gedanken, Emotionen und Erfahrungen.
- Der Fokus liegt auf der subjektiven Wahrnehmung des Ich-Erzählers, und die Leser erhalten einen direkten Einblick in seine Innenwelt.
Weitere Informationen zum Thema.
Hallo Renate,
ich hab mal angefangen auf deinem Blog zu stöbern. Sehr informativ ist alles was man hier findet.
Aber eins fehlt mir… wo kann man sich denn für den Newsletter eintragen?
Ich würde gerne auf dem Laufenden bleiben.
Liebe Grüße
Sandra
Hallo Sandra, meine Zielgruppe braucht keinen Newsletter. Danke aber für den Hinweis.
Liebe Grüße
Renate